PS: Textinterpretation: Dramen des Sturm und Drang
LV-Nr. 0131 L 021

Mi 14-16
Raum: H 2051
Beginn: 25.04.




"Zum Henker, hat denn die Natur den Aristoteles um Rat gefragt, wenn sie ein Genie schuf?" (Lenz, Anmerkungen übers Theater, 1774)

Jugendliche Impulsivität und der Glaube an das Originalgenie, den Dichter-Prometheus, der sich entgegen der aufklärerischen Bindung an die Vernunft wieder der Natur selbst als Ideengut zuwendet, ja sich ihr geradezu leidenschaftlich hingibt, kennzeichnet die Zeit des sogenannten Sturm und Drang. "Denken Sie weniger und leben Sie mehr!", war Hamanns aufsässiger und revolutionärer Kommentar.
In der Zeit vom Erscheinen der Herderschen Fragmente (1767) bis zu Goethes Aufbruch nach Italien 1786 veränderte eine junge Generation von Autoren die Vorstellungen von Poesie in einer Weise, daß Goethe in seinen Lebenserinnerungen von einer "deutschen literarischen Revolution" sprechen konnte. Die poetische Sprache dieser 20-30jährigen war das Drama. Ihre ästhetischen und philosophischen Impulse erhielten sie von Herder und Hamann, von Rousseau, Young und Wood. Herders Aufsatz Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit von 1774, mit dem er einen entscheidenden Impuls zu einer neuen Geschichtsauffassung gegeben hatte, wurde zu einer der Programmschriften der Stürmer und Dränger.
Der ‚dramatische Gott' dieser Epoche heißt Shakespeare. Hier, so schien es den eifrigen Schreibern, war es gelungen, sich von der Last der aristotelischen Poetik zu befreien, die sich durch den Einfluß des französischen Klassizismus in Deutschland zu einer Regelpoetik verhärtet hatte, die jeden schöpferischen Gedanken lähmte. "Natur! Natur! Nichts so Natur als Shakespeares Menschen.", jubelte Goethe in seiner berühmten Rede zum Shakespearetag. Insofern verwundert es nicht, wenn Lenz in enthusiastischer Weise in dem oben gegebenen Zitat der aristotelischen Poetik abschwört und dem Genie- und Schöpfergeist als dem neuen Heros der Zeit huldigt.
Den inhaltlichen Schwerpunkt des Seminars bildet die Fragestellung, wie diese Abgrenzung und Neuerfindung in den dramatischen und theoretischen Zeugnissen der Zeit verhandelt wird. Neben Dramen von Klinger, Lenz, Goethe und Schiller werden wir eingehend die poetologischen Versuche dieser Autorengeneration besprechen.
Das Seminarprogramm mit der Textauswahl wird in der ersten Sitzung vorgestellt. Ein Handapparat mit einführender Literatur zur Dramentheorie und -interpretation wird in der Germanistik-Bibliothek bereitgestellt.